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Mehr Zeit für die seelsorgerische Arbeit

Veröffentlicht am 07.04.2006
in Kornwestheimer Zeitung

Veröffentlicht am 07.04.2006


Mehr Zeit für die seelsorgerische Arbeit

Die evangelische Kirchengemeinde vor der Strukturreform: Die Informationsveranstaltungen laufen an

Kornwestheim.
Kornwestheims evangelische Kirchengemeinde steht vor einer großen Strukturreform: Aus vier einzelnen Teilgemeinden soll bald eine große Gesamtgemeinde werden. Gestern haben die Informationsveranstaltungen für die Gemeindeglieder begonnen.

Von Susanne Mathes

'Unser Motiv ist nicht, wie in der Industrie, soundso viele Stellen zu streichen“, betonte Christoph Rau, Pfarrer der evangelischen Martinsgemeinde, als er gestern Vormittag zusammen mit den Kirchengemeinderäten Christine Martin und Albrecht Tschackert seine „Schäfchen“ in Details des Großprojektes einweihte. Die Strukturreform, über die sich die Verantwortlichen aus allen Teilgemeinden schon seit rund zwei Jahren die Köpfe zerbrechen, solle vielmehr in erster Linie dazu dienen, Synergien zu schaffen und wieder mehr Kapazitäten für die seelsorgerische Arbeit freizuschaufeln.

'Wir haben in nächster Zeit nicht vor, unser Angebot an Gottesdiensten und Veranstaltungen zu reduzieren“, erklärte Rau. Auch müssten die Gläubigen nicht befürchten, dass ihnen die bisherigen Pfarrer abhanden kämen. Per Dienstauftrag würden die Pfarrer ihre bisherigen Gebiete weit gehend weiterbetreuen. „Allerdings“, sagte Rau, „werden wir die Grenzen der Seelsorgebezirke ändern müssen, weil es teils sehr große Ungleichgewichte gibt.“ Auch sei – je nach Entwicklung der Mitgliederzahlen und Finanzen – nicht auszuschließen, dass längerfristig irgendwann über die Schließung eines Hauses nachgedacht werden müsse. Schon jetzt falle der Besuch mancher Gottesdienste sehr dürftig aus. „Es braucht eine gewisse Anzahl von Menschen, um einen Gottesdienst abzuhalten. Sonst wird’s traurig.“
„Wir stellen fest: Unsere Hauptamtlichen brechen unter der Last der formalen Arbeit fast zusammen. Es gibt zu viel Gremien- und Verwaltungsarbeit, das Seelsorgerische kommt fast zu kurz“, umriss Albrecht Tschackert die momentane Situation in der evangelischen Kirchengemeinde. Durch die Tatsache, dass Johannes-, Paulus-, Thomas- und Martinsgemeinde mit Pattonville jeweils eigene Gemeinderäte hätten, alle miteinander aber auch noch im Gesamtkirchengemeinderat säßen, komme es oft zu Überschneidungen. Die Pfarrer müssten viel Zeit für Bürokratisches opfern. Ob nun die geänderte Läute-Ordnung für die Friedensgebete während des Irakkrieges oder die Festlegung, an welcher Stelle ein „Amen“ gesprochen werde: Oft würden Dinge im Teilkirchengemeinderat lang und breit diskutiert, um dann im Gesamtkirchengemeinderat nochmals durchgekaut zu werden. „Das ist Sand im Getriebe unserer Arbeit und behindert uns“, bilanzierte Tschackert.

An diesem Punkt setzt die Strukturreform an. Die Teilkirchengemeinderäte sollen abgeschafft und durch einen einzigen Gesamtkirchengemeinderat ersetzt werden, der von allen evangelischen Christen in Kornwestheim gewählt wird. „Heißt das, dass möglicherweise aus einer heutigen Teilgemeinde dann gar niemand mehr im Gesamtgemeinderat sitzt?“, wollte ein Zuhörer wissen. „Theoretisch ist das möglich“, sagte Albrecht Tschackert. Man habe aber festgelegt, dass aus jeder Gemeinde jemand vertreten sein, also notfalls zugewählt werden solle.
„Wir haben auch überlegt, eine Art unechte Teilortswahl abzuhalten, um Mitgliedern jeder bisherigen Gemeinde den Einzug in das neue Gremium zu gewähren“, sagte Pfarrer Rau. Andererseits habe die bisherige Erfahrung gezeigt, dass es schwer genug sei, überhaupt Kandidaten zu finden. „Hoffen wir, dass es zukünftig so viele Kandidaten gibt, dass man auch wirklich wieder von einer Wahl sprechen kann“, meinte Rau. Albrecht Tschackert ergänzte: „Wir haben so viele fähige, gute Vertreter aus der ganzen Stadt im jetzigen Gesamtkirchengemeinderat – da ist es vielleicht gar nicht so wichtig, aus welcher Teilgemeinde sie kommen.“

Dass das Angebot vor Ort nicht unter der neuen Struktur leidet, sollen unter anderem so genannte Hausausschüsse gewährleisten, deren Mitglieder weiterhin Ansprechpartner für die Gestaltung des Lebens in den einzelnen Kirchen und Gemeindehäusern sein sollen. Die Mitglieder müssen nicht im Kirchengemeinderat sitzen und können sich etwa der dezentralen Jugend-, Senioren- oder Nachbarschaftsarbeit widmen.
Die überwiegende Mehrheit der rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörer nahm die Neuigkeiten gestern interessiert und wohlwollend auf. „Ich finde es hervorragend, dass man kooperieren will. Das ist wichtig und entspricht unserer Zeit“, meinte ein Gemeindeglied. „Auf politischer und kommunaler Ebene gab es viele ähnliche Vorgänge, und das hat auch funktioniert“, meinte ein anderer Mann. Ein Dritter erklärte: „Man sollte in Zukunft auch die innerkirchlichen Konkurrenzveranstaltungen reduzieren, das wäre wichtig für das Zusammenwachsen. Es ist ein altes Kornwestheimer Problem, dass jeder auf seiner Veranstaltung beharrt, auch wenn es gleichzeitig anderswo ein interessantes Angebot gibt.“

Andererseits betonte eine Zuhörerin: „Das ganz kleine religiöse Leben in einer Gemeinde ist auch wichtig. Viele Angebote sind hier sowieso schon am Ausbluten. Wenn man nur noch das große Ganze im Blickwinkel hat, stirbt das andere.“ Dieses Problem bestehe aber auch ohne die Strukturreform schon, entgegnete Albrecht Tschackert. Man hoffe, durch die Reform auch für solche Angebote wieder Freiräume und Impulse schaffen zu können.





Die Online-Publikation dieses Artikels erfolgt
mit freundlicher
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Kornwestheimer Zeitung
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