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Pressearchiv Grünbühl

Die Händler aus dem Leben werfen

Veröffentlicht am 02.02.2004
in Kornwestheimer Zeitung

Kornwestheim (bk). Reden halten gehört zum Geschäft der Politik, aber predigen ist dann doch was anderes. Darum hielt Susann Boll-Simmler, Stadträtin der Grünen, am gestrigen Sonntag in der evangelischen Martinskirche ihre Predigt “als Politikerin, und eben nicht als Pfarrerin“, wie sie betonte. Herausgekommen ist eine sehr politische Predigt.

Eigentlich sollte Susann Boll-Simmler bereits Anfang Dezember nach Oberbürgermeister Dr. Ulrich Rommelfanger und Landrat Dr. Rainer Haas ihre Predigt über die Frage “Warum mir die Bibel wichtig ist“ halten. Im “Jahr der Bibel“ klappte es dann aber wegen eines USA-Aufenthaltes der Stadträtin nicht mehr.
Aber weil für die evangelische Kirche das Bibeljahr “nie abgeschlossen ist“, wie Pfarrer Christoph Rau erklärte, war Susann Boll-Simmler jetzt an der Reihe.
So hatte die Stadträtin über ein halbes Jahr Zeit, eine Antwort auf die Frage zu suchen, was für sie die Bibel bedeutet.
“Im Alltag leider untergegangen“ ist der Umgang mit dem Buch der Bücher für die Mutter zweier Kinder. Zum letzten Mal habe sie sich vor 15 Jahren mit der Bibel auseinandergesetzt, bei der Vorbereitung des Kindergottesdienstes in der Johannesgemeinde, danach fehlte einfach der Anlass. Daher stand jetzt erst einmal ein Bibelstudium, viel Reflexion und Lampenfieber vor der Predigt an.

Fündig geworden ist sie bei Johannes 2, Verse 13 bis 16, bei Jesus’ Rauswurf der Händler aus dem Gotteshaus. Das hat sie angesprochen. In einer Zeit der Kampagne “Geiz ist geil“, der Verteilungskämpfe, der marktwirtschaftlichen Bemessung vom Wert eines Menschen stelle sie sich die Frage, ob “es nicht Zeit wäre, die Händler aus unserem Leben zu werfen“, meinte Stadträtin Susann Boll-Simmler.

Die Grünen-Politikerin bedauerte, dass heute bei politischen und privaten Entscheidungen die Frage nach den Kosten und nicht die Frage nach dem Menschen im Vordergrund stehe. Das gelte sowohl für die großen gesellschaftlichen Themen wie Renten-, Gesundheits- und Steuerreform als auch für die lokalen Themen im Gemeinderat, wie der Gestaltung der Innenstadt. Wo aber nur gefragt werde, was etwas koste, blieben keine Visionen und keine Perspektiven für den Menschen.
Sollen wir also die Händler aus unserem Leben werfen? “Ich denke doch,“ ist die Antwort von Boll-Simmler. Sie zeige damit, “wo ihr Herz schlägt und wo sie sich betroffen fühlt“, dankte ihr Pfarrer Rau.

Die Prominenz auf der Kanzel sollte ja gerade “aus eigener Sicht“ sprechen, und eine politische Predigt von einer Lokalpolitikerin sei durchaus erwünscht gewesen, auch um Leute anzusprechen, die sonst nicht in die Kirche kommen würden. Platz und Zeit zur weiteren (politischen) Diskussion war nach dem Gottesdienst bei einem Kaffee im Gotteshaus.


Auf der Kanzel: Susann Boll-Simmler, Stadträtin der Grünen
Bild: Peter Mann

Die Online-Publikation dieses Artikels erfolgt
mit freundlicher
Genehmigung der
Kornwestheimer Zeitung


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